Kritik von Sigrid Oschewski
zur CD "Blatt um Blatt"
"Evangelische
Kirchenzeitung" vom 16.2.1992, von Sigrid Olschewski
Eine Frankfurter Gruppe wählte mit Bedacht gerade den biblischen Propheten
als Namenspatron, der kurz aber prägnant Klage über das Unglück
in der Welt führte, und nannte sich nach Habakuk. Schon seit 16 Jahren
gibt es "HABAKUK-Musik"; sie begleitete unter anderem acht Evangelische
Kirchentage. Die Chronik führt außerdem mehrere hundert Konzerte
und gottesdienstliche Veranstaltungen in der ganzen Bundesrepublik auf, sowie
Auftritte in Indien. Eingespielt hat die Gruppe fünf Langspielplatten
in wechselnden Besetzungen. In deren dritter Generation erschien jetzt die
erste "Habakuk"-Compact-Disc. Außer den Gruppengündungsmitgliedern
Angelika Unrath und Eugen Eckert wirken der seit 1985 mitmusizierende Alejandro
Veciana sowie die seit 1990 dazugehörenden Hajo Dietze, Conny Kollet,
Thorsten Larbig und Christoph Maurer mit. Die meisten Texte stammen von Eugen
Eckert; von Alejandro Veciana und Torsten Hampel ein Großteil der Musik.
Versteht die Gruppe unter der Aufgabe eines Propheten "Heilloses zu benennen",
so greift sie jedoch in den Songs eher allgemeine, zeitlos-aktuelle Themen
auf, um lapidar zu konstatieren "Damit finden wir uns nicht ab".
Doch ganz anders als bei dem seit Jahrzehnten zum Ideenstillstand gekommenen
Sakro-Pop mit seinen oft so kindlich-kitschigen Texten und seinen laienhaft
ausgeführten Arrangements, arbeitet HABAKUK professionell. Die Musiker
orientieren sich hörbar am gängigen säkularen Markt, dabei eigenständig
bleibend, ohne eintags-modischen Trends zu verfallen, die hohe Verkaufszahlen
sichern sollen. Statt dessen arbeiteten sie eine attraktive Mischung aus Blues,
Rock und Pop aus - manchmal klingt es auch wie die einst Neue Deutsche Welle
-, die sich auch nach mehrmaligem Hören nicht abnutzt. Die Refrains sind
zum Sofort-Mitsingen, obwohl sie trotzdem zu raffiniert sind, um abgeschmackt
zu wirken. Hier wird die Botschaft nicht als "Message" eingetrichtert,
sondern eindrücklich vermittelt.
Die aufgegriffenen Themen sind aktuell und alltäglich. Doch behandelt
HABAKUK sie nicht so blauäugig und unerträglich larmoyant wie manche
Kollegen aus der Sakro-Pop-Branche, von denen einmal einer das Eierkuchenrezept
dichtete: "Es kommt die Zeit, in der Träume sich erfüllen, wenn
Friede, Freude und Gerechtigkeit die Kreatur erlöst". Statt dessen
bringt HABAKUK Gleichgültigkeit gegenüber Ungerechtigkeiten auf den
Punkt: "Dass durch Rechner Arbeit knapp wird, Konkurrenz und Stress noch
wachsen ist zwar lästig; doch, mein Gott, wer von uns sieht das so krass"?
(Anm.: Liedtitel: "Hier in Babel"). Demgegenüber stehen sehr
schöne, unsentimentale und doch anrührende poetische Texte, wie der
des Titelliedes etwa:
und da ich
um den sommer klagte
kamst du
ganz herbst
fielst
blatt um blatt
mir in den schoß.
Neben den angesprochenen Themen Glaube und Liebe fehlt auch die Hoffnung nicht,
begründet im Trost auf einen neuen Frühling etwa. Aber auch Verzweiflung
wird direkt und nicht etwa weinerlich ausgedrückt: "Hört denn
keiner". Mitreißendes hat HABAKUK freilich außerdem nicht
vernachlässigt (z.B. "Eingeladen zum Fest des Glaubens"), auf
dass das von Jugendlichen so bevorzugte Lebensgefühl, das "Feeling" auch
stimme. Die Musik unterstreicht die Aussagen der Texte, pept sie auf. Ganz
nach Popgepflogenheit besorgte Alejandro Veciana neben gitarristischen Glanzlichtern
auch das Sequenzer Programming. Elektronische Instrumente sind jedoch kein
Muss, zu einigen Liedern wählten die Arrangeure passendere akustische
Klänge (z.B. "Noch ehe die Sonne am Himmel stand" - besetzt
mit Streichquartett und Klavier). Ein Quantum Naivität zeigt sich freilich
noch hie und da, wenn etwa manche gesungenen Passagen alzu dünn klingen
oder ein Arrangement auch trivial.
Wenn Jugendliche (und Erwachsene) mit einer sie ansprechenden Musik mehr zum
Nachdenken über Gott und die Welt angeregt werden sollen, scheint HABAKUK-Musik
genau das Richtige zu sein. Sie selbst bieten eine durchaus hörenswerte
Alternative zum Sakro-Pop der alten und leider immer noch gebräuchlichen
Machart. Und zeigen damit, dass "Geist-reiches" durchaus mit Inspiration
zu tun haben kann.