Es
ist eine leise, eher unbemerkte Adventsgestalt, die wir - nach Daniel (1996)
und Emmaus (2002) - mit unserem dritten Oratorium in den Blick nehmen. Zwar
erscheint sie im Lukas-Evangelium in zentralem Zusammenhang: unmittelbar im
Anschluss an die Geburt Jesu. Aber das Lichtermeer unserer Advents- und Weihnachtszeit
rückt diese Gestalt häufig in den Schatten.
Simeon, so erzählt Lukas, ist ein frommer und gerechter Mann. Eines Tages
wird ihm von Gott verheißen, er werde nicht sterben, ohne den Trost Israels
gesehen zu haben. Seither wartet Simeon. Tag für Tag. Voller Erwartung.
Immer wieder. Tausendmal muss ihn sein Weg in den Tempel nach Jerusalem geführt
haben. Und tausendmal wird er sich und auch die dort dienende Prophetin Hanna
gefragt haben: Ob es wohl heute geschieht? Ob Gott heute so in mein und in
unser Leben tritt, dass wir aufatmen können, dass sich die Hoffnung erfüllt
und es einen Neuanfang gibt? Tausendmal hat Simeon vergeblich gewartet - und
ist darüber alt geworden.
Warten zu können aber ist die Stärke des Simeon. Er verlässt
sich auf die Zusage Gottes und wird so zu einem Vorbild und zum Mittelpunkt
einer kleinen Geschichte über unfassbare Geduld, über Vertrauen,
das sich auch im Zweifeln nicht erschüttern lässt, über Beharrlichkeit,
die einfach nicht aufgibt. Denn Simeon wartet. Ein Leben lang wartet er darauf,
dass es für ihn Weihnachten werden kann. Und als es sich dann ereignet,
als er da steht, mit jenem Kind in seinen Armen, weiß er, dass er nun
in Frieden sterben kann, weil die Zukunft Gottes begonnen hat.
Weihnachten, die Zukunft Gottes, soll auch unter uns werden, immer wieder neu.
Denn die Verheißung gilt, dass wir auf- und durchatmen können, weil
ein Neuanfang in der Luft liegt, zum Greifen nah. Vielleicht aber müssen
wir erst wieder lernen, uns darauf vorzubereiten; darauf auch zu warten. Simeon
wusste: die Wunder Gottes lassen sich nicht herbeizwingen. Und er war überzeugt
davon: Gottes Wort gilt. Zu seiner Zeit wird sich Gottes Verheißung erfüllen.
Darum macht das Warten Sinn.
Advent will eine Zeit des Wartens und Erwartens sein. Still zu werden, gehört
dazu; auch dunkle Momente und Erfahrungen auszuhalten. In sich hin ein zuhören,
gehört dazu. Warten zu können, all den Verlockungen und Verführungen
zum Trotz, die uns die Märkte andienen, kaum dass der Sommer seinen Abschied
nimmt, ist eine Kunst.
Unser Oratorium Simeon setzt im Advent ein, ganz bewusst beim Warten auf das,
was kommt. Wir möchten auch auf diese Weise dazu beitragen, in uns und
um uns her Räume und Herzen vorzubereiten für weihnachtlichen Jubel
und Glanz, der dann kommen wird. Ganz gewiss.
Ouverture / Du meine Zuflucht
Und siehe, ein Mann war in Jerusalem
Simeon war hochbetagt
Und im Tempel war auch eine Witwe
In kalter Zeit der Wärme trauen
Es preist meine Seele den ewigen
Eine junge Frau?
Stille. Sitzen. Schweigen.
Gloria in excelsis Deo
Wie oft habe ich hier gesessen
Und siehe, Simeon
Und sein Vater und seine Mutter
Da trat auch Hanna hinzu
Siehe, Gottes achtet auf uns alle